Leitfaden Blaue Stunde - Karl Füsselberger
Der Begriff „Blaue Stunde“ bezieht sich auf die besondere Färbung des Himmels während der Zeit der Dämmerung nach Sonnenuntergang und vor Eintritt der nächtlichen Dunkelheit. Besonders geprägt wurde der Begriff von Schriftstellern und Dichtern, die ihn häufig mit melancholischen Gefühlen assoziieren. Dieselbe Färbung ist auch während der Morgendämmerung zu sehen, allerdings wird der Begriff in diesem Zusammenhang seltener verwendet. Das Blau des Himmels hat eine andere spektrale Zusammensetzung, da es auf eine andere physikalische Ursache als bei Tage zurückzuführen ist. Während der blauen Stunde besitzt dieser tiefblaue Himmel etwa dieselbe Helligkeit wie das künstliche Licht von Gebäude- und Straßenbeleuchtungen. Gelb und Blau sind auch Komplementärfarben, die uns Menschen besonders ansprechen.
Mit Hilfe der Homepage der ZAMG www.zamg.ac.at und vielen APPS für Mobiltelefone kann man den genauen Zeitpunkt leicht herausfinden. Folgende Apps verwende ich sehr gerne: Sun Surveyor oder TPE (The Photographer's Ephemeris) - bei dieser App gibt es auch eine Webseite mit vielen Informationen.
In Mitteleuropa dauert die Blaue Stunde zwischen 30 (Tag-Nacht-Gleiche) und 50 Minuten (Sonnenwende).
Eine wesentliche Rolle spielt der Breitengrad bei der Länge der Dämmerung. In den Tropen dauert die Blaue Stunde 20 Minuten, während der weißen Nächte 5 Stunden. An den Polen dauert die blaue Stunde (theoretisch) zwei Wochen.
Besonders im Winter, wenn es sehr kalt ist, sind die Farben oft unglaublich intensiv. Aber auch in der restlichen Zeit des Jahres, oft nach einem Regenschauer, finden sich tolle Lichtstimmungen zur Blauen Stunde am Himmel. Tolle Spiegelungen gelingen am besten bei Windstille.
Blaue Stunde fotografieren:
Rein technisch gesehen ist fotografieren in der Blauen Stunde sehr einfach. Ich verwende die Zeitautomatik AV oder A und stelle die ISO auf einen niedrigen Wert ein: ISO 200 – 800. Anschließend schließe ich die Blende auf f 11 bzw. f 16. Bei einer Kamera mit APS-C Sensor reicht es, wenn Ihr auf f 11 abblendet. Vorsicht ist geboten wenn Ihr die Blende zu weit schließt: Sensorflecken, Schmutz und Lenseflares werden ab Blende 16 sehr stark sichtbar. Die Verschlusszeit wird ja dann im AV (A) Modus von der Kamera bestimmt.
Wird die Verschlusszeit zu lange, dann einfach die ISO erhöhen. Versierte Fotografen können natürlich auch im manuellen (M) Modus fotografieren. Bei der Belichtung unbedingt darauf achten, dass die Lichter nicht zu hell werden. Diese „ausgefressenen Stellen“ können später nicht mehr korrigiert werden. In diesem Fall ist das Histogramm eine wertvolle Hilfe, es darf nicht über den rechten Rand hinausgehen. Auch bei der Fotografie der Blauen Stunde gilt: „Expose to the right“ (Belichte auf die rechte Seite des Histogramms). Bei Unterbelichtung beginnen die dunklen Bildteile später zu rauschen.
Bei Motiven mit sehr hohen Kontrast Umfang nehme ich oft mehrere Bilder auf und verrechne die später in der Bildbearbeitung zu einem HDR (High Dynamic Range) Bild. Auch die HDR Funktionen in der Kamera sind hier oft eine große Hilfe. Bei vielen Modellen werden auch die unterschiedlichen Belichtungen gespeichert, man hat meist ein fertiges HDR und kann später die einzelnen Bilder auch noch am Computer optimieren.
Der Weißabgleich kann auf Automatik bleiben. Wer den Weißabgleich manuell einstellen möchte, ist mit 5200 Kelvin gut beraten. Wird der Kelvinwert erhöht gehen die Bilder ins gelbliche, bei niedrigerem Kelvinwert verschieben sich die Farben ins bläuliche. Aber Vorsicht, damit die Bilder nicht zu bunt geraten. Ich verwende RAW Files, da ich bei diesem Format den Weißabgleich sehr genau nach eigenen Wünschen später am Computer verlustfrei einstellen kann.
Wenn Du eine sehr einfache Kamera hast: ISO Automatik ausschalten, die ISO auf 200 einstellen und ein kleines Stativ verwenden. Die Bildqualität wird um Klassen besser. (Gilt auch für Smartphones).
Ich fotografiere schon seit 2 Jahren mit Canon EOS R Kameras und finde Systemkameras sehr hilfreich beim Fotografieren der Blauen Stunde. Der helle Sucher ermöglicht eine exakte Vorschau und ich kann Belichtungskorrekturen sofort beurteilen. Außerdem sind die Einstellhilfen wie Fokus Peaking gerade für Brillenträger sehr angenehm, den manuellen Fokus verwende ich nur sehr selten.
Bildbearbeitung:
Für die Bildbearbeitung verwende ich meist Canon DPP, Adobe Lightroom, komplexere Bearbeitungen mache ich auf in Adobe Photoshop.
Da ich sehr genau belichte ist meine Bildbearbeitung nicht sehr aufwendig. Zuerst suche ich ein passendes Profil und aktiviere die Objektivkorrektur. Diese beiden Einstellungen habe ich schon beim Import in Adobe Lightroom hinterlegt. Ich justiere die Farbtemperatur und stelle den Schwarz- und den Weißpunkt richtig ein. Weiters verwende ich sehr gerne den Klarheit-Regler, der den Bildern noch etwas Kontrast in den Mitteltönen verleiht. Mit dem Sättigungsregler bin ich sehr vorsichtig, sehr schnell werden die Fotos unnatürlich bunt. Abschließend schärfe ich die Bilder erst, wenn die genaue Ausgabegröße vorliegt.